Roland Spranger

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Fabian Riemen

Roland Spranger

Roland Spranger

Die Wendeltreppe führt steil hinab in einen engen Kellerflur, es ist dunkel hier. Gleich werden wir ihn also sehen: den Raum, in dem Roland Spranger seine Theaterstücke, Krimis, Romane und Kurzgeschichten schreibt. Er öffnet die Tür und wir betreten eine andere Welt: Der Boden ist mit einem weichen Teppich ausgelegt, die Sonne sucht sich ihren Weg durch das hohe Gras vor dem Fenster und taucht den Raum in warmes Licht. An einer Wand finden sich Bücher in Regalen bis an die Decke, teilweise in zwei Reihen stehend. Alles in diesem Raum hat kräftige Farben. Am Boden steht ein vergoldeter Spiegel, zwei Sessel, ein kleines Tischchen mit Karteikarten. Darauf geschrieben: Ideen für Szenen für seine Texte. Außerdem an den Wänden: Regalbretter voller Filme und Magazine; Plakate von Theaterpremieren; ein Pokal, aber nicht von einem Sportevent, sondern der Friedrich-Glauser-Literaturpreis. Werke von befreundeten Künstler*innen. Unser Blick bleibt bei einem Druck hängen: „Ein originaler Ingo Franz.“ Spranger lächelt. Er lächelt überhaupt viel. Als Moderator beim Gwaaf im Kunstkaufhaus kann man ihn erleben, wie er mit sarkastischem Humor den Gästen ins Wort fährt und gerade dadurch für Unterhaltung sorgt. In seinem Arbeitszimmer, auf einem der beiden Sessel sitzend, strahlt er hingegen eine tiefe Ruhe aus. Er nimmt sich Zeit für seine Worte, die er mit Besonnenheit wählt.

Roland Spranger im Interview.

Mittendrin in Sprangers geheimnisvoll-gemütlichen Zimmer steht sein Schreibtisch, an dem er sich einbaut und an der Weltherrschaft bastelt. Das behauptet er zumindest. Er schreibt seine Texte am PC: „Ich knall das erstmal raus, und ich bin jemand, der viel überarbeitet, aber der es auch schätzt, Textblöcke durch die Gegend zu schieben, was einzufügen, was rauszunehmen. Ich finde, dass mir der PC da ganz viel Freiheit verleiht.“ Doch die Arbeit eines Autoren, so sagt er, findet auch draußen statt: beim Beobachten der Menschen. Diese Beobachtungen hält er in kleinen Notizbüchern fest. „Ich schreibe sehr stark von den Charakteren her.“ Er entwickelt den Menschen hinter der Figur, fragt sich, in welcher Lebenssituation die Figur ist und in welche sie kommen könnte. Und: er hat eine Idee vom Konflikt, der sich auftut. Spranger beschreibt, wie in seinem jüngsten Krimiroman Tiefenscharf mehrere Erzählstränge parallel verlaufen, „aber man weiß, irgendwann muss der Clash kommen – irgendwann.“ Diese Erzählstränge schreibt er auf Karteikarten. In der Schachtel auf dem Tischchen lagert ein ganzer Stapel davon, voll mit Szenenentwürfen und Erzählsträngen. Spranger demonstriert, wie er damit arbeitet: Er legt mehrere auf den Tisch, blaue, gelbe und rosafarbene, und beginnt, sie in verschiedenen Systemen anzuordnen – „und dann habe ich hier so ein Puzzlespiel, an dem ich tüftel.“

„Das ist das Allerrelevanteste, wenn man einen Text macht: wie viel Freude man selbst damit hat“

Roland Spranger

Kunst & Politik

Ob er an seine Leser*innen denkt? Sein Literaturagent sei der Meinung, er tue es zu wenig. Und was denkt Spranger darüber? „Ich denk da eher an das, was mir persönlich Spaß macht. Das ist das Allerrelevanteste, wenn man einen Text macht: wie viel Freude man selbst damit hat und ob es was ist, was man selbst gern lesen wollen würde.“ Spranger hat sich schon als Kind Geschichten ausgedacht. In den 80er Jahren engagierte er sich politisch in gewaltfreien Widerstandsgruppen und war er in der Hofer Off-Theater-Szene aktiv: Klaus Heinritz‘ Theater K, Stadtbühne, Theater der FAKS. Er gründete die Dilettantenbühne und das Theater Larpular – und schrieb dafür Theaterstücke. Das macht er heute noch, und heute werden sie deutschlandweit an Theatern gespielt. Einige davon wurden am Theater Hof zur Premiere gebracht. Doch Spranger schreibt auch anderes: beim Leseding im Galeriehaus, das er mit Michael Böhm moderiert, kann man ihn manchmal eine seiner Kurzgeschichten lesen hören; und in Tiefenscharf hat er der Grenzregion zwischen Hof, Selb und Asch ein düster-melancholisches Denkmal gesetzt. „Ich glaube, dass eine Gesellschaft das braucht, dass sie mit künstlerischen Mitteln hinterfragt wird, gespiegelt wird. Und sich dem auf eine spielerische Art nähern kann. Egal was das für eine Kunstgattung ist, ob das Bilder sind, Filme, Theater, Musik, Literatur.“ Was macht eine solche Spiegelung mit den Menschen? „Ich habe das schon öfter erlebt, dass ich einen Film gesehen habe oder ein Buch gelesen habe und mich das so bewegt hat, dass ich einen neuen Blick aufs Leben hatte. Und Dinge anders gemacht habe. Und das ist eigentlich etwas, was ich jedem gönne. Ganz abgesehen davon, dass es auch einfach Spaß macht!“

Kunst und Kultur sei wichtig für Demokratien: „Kunst schafft auf jeden Fall einen Beitrag zu demokratischen Gesellschaften. Du siehst ja auch, wie in Diktaturen oder autoritären Systemen Kunst gefürchtet ist. Die Ersten, die Schwierigkeiten kriegen, sind Journalisten – oder Künstler, die zensiert werden. Diktaturen haben wahnsinnig Angst vor freier Meinungsäußerung und vor Kunst. Und Kunst ist ja so ein Raum, der viel Freiheit bietet, in dem man Dinge sagen kann, die vielleicht sogar unerhört sind. Das ist ja auch ein Anliegen von Kunst zum Thema Unerhört: Menschen eine Stimme zu verleihen. Das führt natürlich dazu – also in meiner Vorstellung von Kunst – dass man auch gerade den Menschen, die keine Stimme haben, oder deren Stimme nur sehr schwach zu vernehmen ist, denen eben Ausdruck verleiht. Und in diesem Sinne, finde ich, ist Kunst ein sehr demokratisches Medium.“ Sprangers eigenes Schaffen ist mitunter frei von dezidierten politischen Diskussionen, aber „beispielsweise Work und Der Rest sind ja explizit politische Stücke – ich glaube, das ist schon jedem bewusst, dass meine Texte dazu eine Haltung haben.“

„Ich glaube, dass eine Gesellschaft das braucht, dass sie mit künstlerischen Mitteln hinterfragt wird, gespiegelt wird.“

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Roland Spranger

Szenenübergreifend

Was macht die Hofer Kunst- und Kulturlandschaft aus? „Vielseitigkeit. Es gibt Strömungen, die sich nebeneinander bewegen und sich auch immer wieder berühren. Mittlerweile glaube ich auch, dass die Menschen, die da tätig sind, übergreifend tätig sind. Veranstaltungen wie zum Beispiel Linie 4, wo die Linde, das Galeriehaus, das KKH und der Alte Bahnhof zusammenarbeiten. Oder jetzt im Corona-Zeitalter gab es das Ausdiemusik-Festival, ganz unterschiedliche Leute, die aus unterschiedlichen politischen Richtungen kamen, waren da tätig. Das empfinde ich im Moment als sehr cool, dass es so arg heterogen ist, und man trotzdem das Gefühl hat, dass es Verbindungen gibt. Man hat nicht das Gefühl, dass es Grabenkämpfe gibt. Das ist glaube ich eine neue Stärke.“

Und so bewegt er sich weiter durch Kunst- und Kulturlandschaft der Region, hat sich vor kurzem eine weitere künstlerische Ausdrucksform erschlossen und mit Michael Gückel den Kunstverächter-Podcast gegründet. Spranger selbst schreibt sich keiner Szene mehr zu, er genießt es, szenenübergreifend wirken zu können – und konsumieren zu können: Bei Kneipen- und Clubkonzerten in Hof hat man gute Chancen, ihn zu treffen. Das ist nämlich eine weitere Leidenschaft von ihm: Musik. Und so nimmt er uns mit nach oben in sein Wohnzimmer, schaltet die Anlage an und startet eine Retro-Playlist. Und dann steht er da, in Chucks und Jeans, an seine CD-Regal gelehnt, mit Blick aufs Handy, und lächelt. Vielleicht sind es die Songs von früher, die ihn beglücken. Oder eine neue Idee für eines seiner Schreibprojekte, er arbeitet beim Schreiben viel mit Musik. Jedenfalls kann man ihn sich spätestens jetzt ganz gut vorstellen, in den 80ern, im gewaltfreien Widerstand.

„Das empfinde ich im Moment als sehr cool, dass es so arg heterogen ist“

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