Markus Jung

Written by
Fabian Riemen

Markus Jung

Markus Jung

„Ich bin offen für Neues.“ Vielleicht beschreibt Markus Jung damit bereits die Essenz seiner musikalischen Poetik. Das Musikzimmer in seiner Altbauwohnung erzählt davon: ein Raum mit über hundert Instrumenten; neben Klavier, Kontrabässen, Celli und verschiedenen Flöten findet sich darin eine Fülle von Instrumenten von verschiedensten Orten der Welt. „Ich finde, alles ist eine Bereicherung, was nicht von einem selber kommt. Ob ich fremde Länder anschaue, neue Küchen austeste zum Essen, oder ob ich eben andere Stile kennenlerne, andere Instrumente, andere Menschen, andere Geschichten hinter den Menschen – alles ist eine Bereicherung und ich kann mich darüber neu reflektieren. Und wenn ich jetzt die Möglichkeit habe, dann noch ein Gemeinschaftsprojekt zu machen, dann kann das nur umso positiver sein.“ Jung spricht davon, wie neue Einflüsse nicht nur sein künstlerisches Schaffen weiterentwickeln können, sondern auch ihn selbst in menschlicher Hinsicht. Künste verbinden miteinander, und diese Verbindung ist ein Plus, so Jung. Aber wie? „Es ist schwer zu sagen, aber die Künste ändern den Umgang, den wir miteinander haben. Wir werden ein bisschen archaisch, wenn wir das nicht machen.“ Diese Erfahrungen von persönlicher Bereicherung durch das Kennenlernen von Neuem gibt er weiter: „Wenn ich mit meinen Instrumenten arbeite möchte ich Leute dafür begeistern, was es alles gibt; und sie sensibilisieren dafür, wie gut es ist, dass wir alle so verschieden sind, und wie verschieden wir sind.“

Markus Jung im Interview.

Jung stammt aus einer Musikerfamilie in Thüringen. Beim Studium an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar gründet er mit drei Kommilitonen Die Vier EvangCellisten, seit nunmehr zwölf Jahren touren sie im Sommer, unter anderem nach China. Seine Haupttätigkeit aber sind die Hofer Symphoniker. Dort spielt er Konzerte, ist Lehrer an der Musikschule und am Gymnasium. Zusammen mit den Symphonikern organisiert er zudem die Hofer Cellotage, er ist Vorsitzender des Tonkünstlerverbands Hochfranken, ist aktiv im Kulturzentrum Alte Filzfabrik, und er spielt solo – poppig und so gar nicht klassisch. Jung ist ein Gestalter, er gestaltet die Welt um sich herum ganz aktiv mit. Er ist aber auch jemand, der sich gestalten lässt, der die Eindrücke, die aus der Welt auf ihn einprasseln, nicht abwehren möchte; er möchte sie wahrnehmen und beobachten, was sie mit ihm machen. „Ich glaube, dass Kunst in die Lage versetzt, sich selbst und andere spannend und ungefiltert zu reflektieren. Das genieße ich auch sehr – das gibt es in kontroversen Filmen, in kontroversen Bildern, bei Liedermachen – da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten. Aber es gibt durchaus auch einen Teil in der Kunst, der nur der Schönheit dient und sicher auch seine Berechtigung hat, wo das vielleicht nicht so der Fall ist.“ Jung interessiert vor allem der Teil Kunst, der hinterfragt – ihn selbst, andere Menschen, Systeme, Religionen oder Gesellschaftsformen.


„Ich finde, alles ist eine Bereicherung, was nicht von einem selber kommt.”

Markus Jung

Seine Kunst ist nun eben vor allem Musik. Warum braucht es die? „Ich glaube, wenn man die Musik weglassen würde für uns, dann würden wir alle merken, wie wichtig das ist, und wie sehr uns das fehlt. Und ich glaube, das ist auf der ganzen Welt so: Das Bedürfnis für Musik oder für das, was aus Musik entsteht – Feiern und Feste ja auch in vieler Hinsicht – das ist überall da. Ich würde fast sagen, das ist ein Bedürfnis für uns Menschen.“

Markus Jung interessiert sich nicht nur für Steichinstrumente.

In Hof hat er die Musikszenen nun zwar gefunden, das hat jedoch gedauert: sie waren für ihn schlichtweg schlecht sichtbar. Hört man ihm weiter zu, dann klingt dieses schwierige Auffinden der Hofer Kunst- und Kulturlandschaft abseits der großen Häuser wie verschenktes Potenzial: „Ich hab‘ sehr lange gebraucht, bis ich diese ganzen feineren Sachen, Subkultur und Besonderheiten kennengelernt habe. Aber ich weiß um viele Besonderheiten: ich weiß, dass hier eine erstaunlich hohe Anzahl von Gambisten in der Region ist – was total selten ist – ich weiß, dass es hier eine kleine Jazzszene gibt, wo andere Städte uns sehr beneiden darum, dass es überhaupt so etwas gibt. Wir haben ein großes Orchester, die Freiheitshalle, ein Theater – für die ganze Stadtgröße sensationell und auf sehr hohem Niveau. Und wir haben aber auch viele sehr junge engagierte Leute, die organisiert ihren Interessen und der – ich sag jetzt mal – jüngeren Kultur eine Basis, eine Plattform geben, die sich vernetzen und das gut organisieren, wenn ich jetzt bloß an die Hoftexplosion und anderes denke. Und damit hat sie auch für die kleine Stadt eine unglaubliche Vielseitigkeit. Die muss man allerdings aber suchen, sie ist jetzt nicht so, dass man sie sofort bekommt. Das ist alles da, man muss sich darauf einlassen, aber muss ein bisschen suchen, wo. Wenn man das weiß, ist aber sehr, sehr viel da.“ Zwischen ihm und der Stadt passt es mittlerweile sehr gut. Er hat Publikum, bei den Symphonikern ohnehin, aber auch bei seinen freien Projekten – doch er geht nicht in der Fülle der Angebote unter: „Die Stadtgröße ist tatsächlich ein wirklicher Standortvorteil. Und damit lässt diese Stadt Raum, mich künstlerisch zu entfalten. Es ist für meine Projekte und die Vielseitigkeit, die ich mache, genau richtig.“

„Ich glaube, dass Kunst in die Lage versetzt, sich selbst und andere spannend und ungefiltert zu reflektieren.”

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Markus Jung

Gibt es für Markus Jung eine nicht erfüllte Vision? „Wo ich einen gewissen Wunschtraum habe, weshalb ich auch so viele Instrumente habe, ist das Verschwimmen der Zeiten und der Kulturen. Also fast schon auch ein bisschen politisch, aber Kunst ist ja auch politisch irgendwo. In dem Moment, wo ich verschiedene Stile neu zusammensetze entsteht immer etwas Besonderes, Neues.“ In diesen Kooperationen und Zusammensetzungen von verschiedenen Stilen und Menschen kann man sehen, was es alles auf der Welt gibt, und wie es zusammen agieren kann. Kunst kann hier ein Spiegel für die Welt sein, indem sie zeigt, was möglich ist: „Ich glaube, dass in dieser musikalischen Auseinandersetzung durchaus der Schlüssel auch für eine unsere Demokratie betreffende Situation herrschen könnte: das Miteinander, ohne die Heimat, die Wurzeln der Einzelnen zu verlieren; aber etwas Neues zu schaffen, ohne es zu negieren – ich glaube, das ist gar nicht schlecht!“ Jung lächelt und hält inne. Dann lacht er kurz auf und schiebt hinterher: „Der Hofer Traum!“ Vielleicht ist das ja der Titel für das nächste Projekt?

Die Wohnung von Markus bietet ein großes Sammelsurium an Musikinstrumenten.

Einer seiner Songs, die er Solo spielt, heißt Safe. Über eine melodische Pianospur legt sich sein ruhiger und doch nachdrücklicher Gesang: “I´ll keep you safe, I´ll keep you safe.” Es ist, als wenn er einfordern möchte, sich doch in dieses Versprechen fallen zu lassen. Auch hier kann man in die Tiefe gehen und nachfühlen, was so ein Satz mit einem macht. Und man kann auch einfach mal die Schönheit genießen, die darin steckt.

„Und damit hat Hof auch für die kleine Stadt eine unglaubliche Vielseitigkeit.”

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