Michael Böhm

Written by
Fabian Riemen

Michael Böhm

Michael Böhm

„Ich möchte einen Ort bieten, wo sowohl der, der Kunst macht, Kunst ausstellen kann, und auch der, der Kunst sehen möchte, kommen kann.“ Und an dem man sich wohlfühlen kann: Michael Böhm ist seit ein paar Jahren der neue Kopf im Galeriehaus Hof. Böhm hat das Gesamtkunstwerk von Werner Weinelt übernommen: für viele das Herz der Hofer Filmtage, darüber hinaus Galerie, Konzertraum, Lesebühne – und Kneipe. So ist Böhm auch nicht einfach nur Wirt, sondern auch Galerist und Konzertveranstalter. Und außerdem eben der Verwalter des Weineltschen Galeriehaus-Erbes: „Es soll kein Museum sein. Es soll ein Ort der Moderne sein, im gesellschaftlichen und im künstlerischen und im musikalischen Sinne. Werner hat sich immer als Avantgarde bezeichnet, und so ein bisschen möchte ich da auch bleiben.“ Böhm entwickelt dieses Erbe behutsam weiter. Er renoviert, er erhält mit Bedacht, und er führt neue Formate ein – beispielsweise den November Rave, einem Techno-Event, bei dem sich das Galeriehaus in eine Dancehall mit drei Floors verwandelt. Dabei bleibt immer der avantgardistische Anspruch: State-of-the-art sein in der Kunst, vorne dabei. Eben das, wofür das Galeriehaus seit fünf Jahrzehnten steht.

 

Micha im Nörgeleck.

Micha Böhm sitzt am Nörgeleck, dem legendären Tisch neben dem Tresen, und erzählt. Gelernt hat er Kfz-Mechaniker in Hof, hat dann jahrelang in USA gelebt und im Pilotentraining für ein Luftfahrtunternehmen gearbeitet.

Als er nach Hof zurückkam, ging er wieder ins Galeriehaus, das ihn fortan nicht mehr loslassen sollte. Er fühlt sich wohl hier, in der Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur. Als Werner Weinelt verstirbt übernimmt Michael Böhm. „Für mich ist Kunst und Kultur und das Erleben von einem Ausdruck eines Anderen eigentlich ein zentraler Lebensinhalt.“

„Für eine Stadt mit knapp 50000 Einwohnern haben wir ein Kulturangebot, das seinesgleichen sucht.“

Michael Böhm

Plakate der letzten Jahrzehnte.

Kunst, Kultur und Demokratie

Böhm ist ein nachdenklicher und ein politischer Mensch, er sitzt im Stadtrat. Und er hat über das, was er sagt, reiflich nachgedacht. Welche Rolle spielt Kunst eigentlich? „Der Beitrag der Kunst für eine Demokratie ist immens: dort darf ich mich frei äußern, in irgendeiner Form, die ich kann, ich kann vielleicht malen, ich kann schreiben, ich kann fotografieren. Das ist die freie Rede, die man praktiziert mit der Kunst.“ Und: Kunst verleiht den Menschen nicht nur die Möglichkeit, sich zu äußern, sondern es ist auch einfach schön: „Das Leben wird doch relativ leer und sinnlos, wenn ich mich nicht gestalterisch oder genießerisch mit Schönheit und Kunst beschäftige. Und mit der Auseinandersetzung Wer sind wir? Deshalb gibt‘s ja auch Theater, das sich mit Wer sind wir denn eigentlich und Warum sind wir überhaupt hier beschäftigt. Gerade in der Corona-Zeit merkt man das: es fehlt das Wesentliche, wenn keine Kunst und Kultur mehr da ist. Es fehlt der Grund. Die Leute fangen jetzt wieder an, Bücher zu lesen: das ist auch Kunst, es ist geschriebene Poesie, alles Mögliche ist da drin.”


Michael Böhm in Interview mit Fabian Riemen.


„Der Beitrag der Kunst für eine Demokratie ist immens: Das ist die freie Rede, die man praktiziert mit der Kunst.“

Blick hinter dem Galeriehaus
No items found.

Michael Böhm

Die Hofer Szene

Böhm hat Lust auf Neues, und er mag es, wenn man in der Szene etwas zusammen macht. Er begeistert, wenn er davon erzählt. „Ich habe gelernt, dass in Hof Kollaboration, Zusammenarbeit tatsächlich funktioniert, man muss sie nur machen. Ich habe in mehreren Projekten mit anderen Kneipen und Läden hier außen rum Dinge aufgebaut, und das macht Spaß.“ Und von diesen Läden gibt es viele: „Wir haben das Kunstkaufhaus, die Linde, wir haben leider den Alten Bahnhof ein bisschen verloren, wir haben die Alte Filzfabrik, wir haben Awalla. Grad im Sommer gibt es so viele Veranstaltungen, dass ich mit der Planung von spontanen Sachen gar nicht mehr durchkomme, weil ich merke: es ist ja alles schon vollgeplant. Für eine Stadt mit knapp 50000 Einwohnern haben wir ein Kulturangebot, das seinesgleichen sucht. Das liegt an vielen Menschen hier in Hof, die das betreiben und aktiv sind, und die auch immer mit einem gewissen Idealismus rausgehen und sagen, ich biete das Zeug an, da kommen auch Menschen.“

Wir besuchen ihn am nächsten Mittag nochmal, das Galeriehaus ist geschlossen, er ist kurz da, um etwas zu holen. Seine Kinder turnen herum. Laufen sie im oberen der drei Stockwerke, dann kann man das Knarzen der alten Holzdielen bis in das unterste Stockwerk hören. Unten steht der Flügel. An den hohen Wänden eine Fotoausstellung eines Fotografen aus den USA. Ganz oben ist es kuschelig: die roten Sessel laden ein, sich fallen zu lassen. Böhm möchte, dass das Galeriehaus ein Wohnzimmer ist. In diesen Sesseln kann man sich nicht vorstellen, dass es etwas anderes sein könnte. Lässt man den Blick über die Wände und die Decke schweifen, dann taucht man ein in die Geschichte des Hauses: Plakate über Plakate von Veranstaltungen, die meisten aus den 70er und 80er Jahren. Das meiste ist Jazz, auch viele Lesungen sind dabei, experimentelle Kunst.

Wir gehen wieder runter, an einem großen Stein vorbei. Bei näherem Hinsehen zeigt sich: es ist ein Sims eines alten Hauses, der Deininger-Villa, die auf dem Gelände des mittlerweile auch abgerissenen Busbahnhofs stand. Hier ist dieser Sims viel mehr: er ist ein Artefakt, der den Raum allein durch sein Dasein verändert. Hier ist er kein Sims, sondern ein Stein am falschen Ort, über den wir nachdenken, gerade weil er am falschen Ort ist. Wir werden aufmerksam und betrachten ihn, wie wir wahrscheinlich noch nie zuvor einen Sims betrachtet haben. So kann Banales künstlerische Wirkung entfalten. Man kann sich aber auch einfach mit einem Seidler Bier drauf hocken. So ist das im Galeriehaus: „Du kommst hier rein, trinkst ein Bier und ganz nebenbei erfährst Du Kunst.“


Ein Sims der Deininger-Villa hat einen festen Platz im Galeriehaus gefunden.


„Wenn Du erkennst, welche Bandbreiten wir hier in Hof haben, dann braucht man sich einfach nur noch hinstellen und die Dinge zu heben.“

No items found.

Michael Böhm